Die Hutfabrik Kohlndorfer

Vom Handwerker zum Hoflieferanten

Die älteste und größte Miesbacher Hutmacherei war die der Familie Kohlndorfer. In ihrer Geschichte entwickelte sie sich vom einfachen Handwerksbetrieb zu einer Fabrik, in der das Produkt Hut industriell gefertigt wurde.

Der 1625 erstmals erwähnte Betrieb (siehe Geschichte 30) wurde 1826 von Joseph Kohlndorfer (1800 – 1867) aus Schwaz gekauft. Sein Vorbesitzer Johann Rochus Zimmeter war sein Onkel gewesen. Mit Joseph Kohlndorfer begann die Erfolgsgeschichte. Die früheren Besitzer hatten oftmals keine Erben oder überhaupt Schwierigkeiten, den Betrieb zu halten. Von Josephs zehn Kindern übernahm der zweitälteste Johann die Hutmacherei. Der Älteste Joseph wurde Notar, der Sohn Anton wurde Pechler in Miesbach und der Sohn Max begründete in Landshut eine Spinnerei.

Das Stammhaus am Marktplatz, 1880er Jahre
Das Stammhaus am Marktplatz, 1880er Jahre © Klaus Strigl
Anton Kohlndorfer (I) mit Frau Elisabeth und Familie, um 1915
Anton Kohlndorfer (I) mit Frau Elisabeth und Familie, um 1915 © privat

In der dritten Generation gelang unter Anton Kohlndorfer (I) (1871 – 1924) der Aufstieg zu einem Großbetrieb. Den Betrieb leitete Ludwig Glaser, dessen Frau Kreszentia eine bekannte Modistin war (s. Geschichte Nr. 34). Unter der Doppelspitze Kohlndorfer- Glaser wurde ab etwa 1900 die Serienproduktion eingeführt. Der Höhepunkt war Anfang 1918 als dem Betrieb von König Ludwig III. der Ehrentitel eines Kgl. Bayerischen Hoflieferanten verliehen wurde. Damals wird der Betrieb erstmals als Fabrik tituliert.

Hutanprobe vor dem Geschäft, 1920er Jahre
Hutanprobe vor dem Geschäft, 1920er Jahre

Anton (I) selbst hatte sich aus dem Tagesgeschäft herausgehalten, denn er leitete die von ihm gegründete Genossenschaftsbank Miesbach, die 1918 in eine Filiale der Hypobank umgewandelt wurde. Anton hinterließ nach seinem Tod den Betrieb zwar seinem ältesten Sohn Anton (II) (1895 – 1949), doch erhielten die beiden jüngeren Söhne Alfons (1899 – 1983) und Ernst (*1901) auf 10 Jahre die Nutzung zugesprochen. So entstand die Marke Erko (Ernst Kohlndorfer) für den von ihnen hergestellten Velour – der übrigens einen hervorragenden Ruf genoss. Anton Kohlndorfer (II) nutzte die Zwischenzeit, um die Hirschmüller’sche Baderestauration in der Simon- Schmid-Straße zu erwerben. Hier begann er mit einer Haarschneiderei. Erst nachdem er 1934 den ganzen Betrieb übernommen hatte, begann er mit dem systematischen Ausbau.

Urkunde zur Ernennung zum Hoflieferanten, 1918
Urkunde zur Ernennung zum Hoflieferanten, 1918 © privat

Der Zweite Weltkrieg war ein herber Rückschlag, da nun Knappheit an Arbeitern und Material herrschte. Der Absatz ging ebenfalls zurück. Zwischenzeitlich versuchte man mit Filz auch andere Gegenstände herzustellen, wie Socken oder Westen.

Das letzte Kapitel begann gleich nach dem Ende des Krieges. Bis 1949 wurden die Gebäude in der Simon-Schmid-Straße zu einer echten Hutfabrik umgebaut. Leider starb Anton (II) kurz vor Vollendung der Arbeiten.

Anton (III) (1929 – 1996) musste mit 20 Jahren den Betrieb übernehmen. Da er sich noch im Studium befand, wurde die Fabrik zunächst von dem Verwalter Ludwig Heine geführt. 1952 übernahm Anton (III) die Firma, die er als studierter Betriebswirt zu einer echten Fabrik mit über 200 Mitarbeitern ausbaute. Gleichzeitig gründete er mit seiner Frau Marianne eine Familie.

Am Ladenschaufenster, 1930
Am Ladenschaufenster, 1930

An die erfolgreichen Zeiten erinnern sich Marianne Kohlndorfer und die Tochter Marlies noch sehr gut. Die Familie pflegte gute Kontakte zu den anderen Miesbacher Hutmachern, ebenso zur damals noch in Blüte stehenden deutschen Hutindustrie. Damals wurden Hüte bis in die USA geliefert. Das Hauptgeschäft waren die Trachtenhüte, denn Miesbach liegt ja inmitten des bedeutendsten Trachtengebietes. Aber an sich wurden alle Arten von Hüten gefertigt.

Eröffnung der Hutfabrik (1949)
Eröffnung der Hutfabrik (1949)

Dass Anton Kohlndorfer (III) ein gutes Gespür für das Geschäftliche hatte, zeigte sich abermals, als er schon 1965 die Fabrik schloss. Der Niedergang der Hutindustrie hatte sich gerade erst angedeutet. Doch sollte er recht behalten, denn nach und nach mussten fast alle deutschen Hutfabriken schließen. Immerhin behielt die Familie den Hutladen, der sich nach wie vor im Stammhaus am Marktplatz befand. Er schloss erst 1976.

Fabrik und Angestellte (um 1950)
Fabrik und Angestellte (um 1950)
A. (II) Kohlndorfer, Tochter Irene, 1948
A. (II) Kohlndorfer, Tochter Irene, 1948 © privat
Marianne Kohlndorfer, 1979
Marianne Kohlndorfer, 1979 © privat

Heute erinnert im selben Haus das „Café Huatfabrik“ an die jahrhundertealte Tradition der Hutmacherei.

Text: Alexander Langheiter