Die Modistinnen

„Modistin und Lager von Totenkränzen“

Das Hutgewerbe kennt neben den Herstellern der Hüte, den Hutmachern, noch den Beruf der Modistinnen. Die Modistinnen erwerben vom Hutmacher hergestellte Rohlinge und verarbeiten sie weiter. Am wichtigsten ist die Garnierung, also die Verzierung, das „Aufputzen“ der Hüte. Wohl daher kommt auch die ältere Berufsbezeichnung als Putzmacher. Im 18. und 19. Jahrhundert haben Putzmacherinnen auch Kleider verziert und standen damit oft in Diensten wohlhabender Damen.

 

Karolina Gollwitzer, geb. Würzburger (um 1830 – 1882)

Die erste Modistin, die wir in Miesbach finden können, war Karolina Gollwitzer. Wann sie nach Miesbach gekommen ist und mit der Ausübung ihres Berufes angefangen hatte, ist leider nicht mehr rekonstruierbar. Mit ihrem Mann, dem Schreiner Ludwig Gollwitzer, lebte sie ab 1875 im Haus Pfarrgasse 6, das beide damals erbaut hatten. Ihre Tätigkeit fand in einer Zeit statt, als Miesbach sich als Sommerfrische etabliert hatte. Zudem sorgte das Bergwerk Miesbach für Bevölkerungszunahme und steigenden Wohlstand. Der Bedarf nach Modistinnen war gestiegen.

 

Mathilde Eggerdinger (1844 – 1929)

Mathilde Eggerdinger scheint nur um 1880 als Modistin tätig gewesen sein. Sie war die Tochter des Landrichters Simon Eggerdinger und lebte seit 1872 in Miesbach. Sie blieb unverheiratet, durfte aber – den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend – keinen Beruf ausüben. Offenbar war aber die Tätigkeit als Modistin hiervon ausgenommen und selbst für eine Tochter aus gutem Hause möglich.

 

Kreszens Glaser, geb. Spindler (1863 – 1953)

Im Jahr 1889 eröffnete Kreszens Glaser ihr Putzgeschäft. Sie wurde die bedeutendste Modistin Miesbachs. Zunächst zur Miete im Haus Frühlingstraße 21, zog sie im Folgejahr in das Anwesen Kirchgasse 4, nun erweitert um eine Damenhüteniederlage. Ihr Ehemann Ludwig Glaser war als Hutmachermeister bei Kohlndorfer beschäftigt. Er war zuletzt dort Geschäftsführer und bereitete den Weg von der Hutmacherei zur Hutfabrik. Kreszens Glaser engagierte sich im Vereinswesen: Sie war 1904 Mitbegründerin des Elisabethenvereins, 1915 – 34 zudem Vorsitzende des Frauenbundes. Das Geschäft führte ihre Tochter Sofie, verh. Wehenkel (1889 – 1978) fort.

 

Ernestine Grasser

Annonce der Ernestine Grasser im Miesbacher Anzeiger, 1903
Annonce der Ernestine Grasser im Miesbacher Anzeiger, 1903

Eine aus heutiger Sicht ungewöhnliche geschäftliche Kombination bot Ernestine Grasser an. Ihre Gewerbeanmeldung von 1902 lautet auf „Modistin und Lager von Totenkränzen“. Man mag daran denken, dass zur gleichen Zeit Kunstblumen und Blumenschmuck insgesamt große Beliebtheit hatten. Hier ist der Weg von der Verzierung von Hüten zu Kränzen nicht mehr weit. Über Ernestine Grasser ist leider nur mehr bekannt, dass sie ihr Geschäft im Haus Marktplatz 2 führte.

 

J. Hager und Ida Kasparek, geb. Ender (geb. 1862)

Noch weniger bekannt ist über die Modistin J. Hager. Hager warb 1877/78 im Miesbacher Anzeiger mit ihrem Laden, den sie zuletzt im heutigen Haus Frühlingstraße 25 führte.

Etwas später begegnet uns die Modistin Ida Kasparek. Sie war 1909/10 mit ihrer Familie aus Österreichisch- Schlesien (heute Teil von Tschechien) zugewandert. Ihr Mann Hans war damals bereits im Ruhestand. Nachdem dieser 1926 starb, zog sie nach Innsbruck.

 

Maria Fürst, geb. Fritz (1904 – 1977)

Maria Fürst führte bis zu ihrem Tod ein Geschäft in ihrem Haus in der Schmiedgasse 2. Von dieser Modistin erzählt man sich heute noch manche Anekdote, da sie im Umgang mit ihren Kundinnen einen recht eigenwilligen Ton angeschlagen haben soll. Vielleicht mag das auch damit zusammengehangen haben, dass sich Hutkäufe bei Modistinnen oft sehr in die Länge zogen und die Geduld der Verkäuferinnen durchaus strapaziert wurde.

Text: Alexander Langheiter