Die Familie Schorer

Ein (Berufs)Leben für die Milch

Alteingesessenen Miesbachern ist der Milliladen oder auch „der Schorer“ gut bekannt: Mehr als 50 Jahre konnte man dort Erzeugnisse der Miesbacher Milchgenossenschaft bzw. des Milchhofes Miesbach kaufen. Die Auswahl war berühmt und ging sogar weit über die Produkte des Milchhofs Miesbach hinaus. 1996 schloss der Milliladen und das Schorerhaus wurde zunächst als ein Schreibwarengeschäft genutzt, heute ist dort eine Trachtenschneiderei zu Hause. So ändert sich das wirtschaftliche Leben der Stadt.

Der Milliladen im Hainbucherwinkel zu Zeiten des Vorbesitzers Ludwig Häusler, 1940er Jahre
Der Milliladen im Hainbucherwinkel zu Zeiten des Vorbesitzers Ludwig Häusler, 1940er Jahre © Josef Schorer

Für Josef Schorer beschränkte sich das Berufsleben nicht auf den Verkauf von Milchprodukten und weiterer Lebensmittel. Er war als Sohn des früheren Betriebsleiters des Milchhofes Miesbach, Josef Schorer sen., in Miesbach aufgewachsen. Gewohnt hatte die Familie direkt in der Molkerei, was beispielsweise dazu führte, dass die Kinder wegen der morgendlichen Milchanlieferungen und des Lärms abends schon rechtzeitig ins Bett gehen mussten, während alle anderen Altersgenossen noch spielen konnten.

Der inzwischen umgebaute Milliladen – an einem Ruhetag, 90er Jahre
Der inzwischen umgebaute Milliladen – an einem Ruhetag, 90er Jahre © Josef Schorer

Aus der „Käse- und Butterhandlung Häusler“ wird der „Milliladen“

Die Eltern von Josef Schorer übernahmen den Milliladen bereits 1950. Sein Vater arbeitete noch bis 1955 in der Molkerei. Insgesamt wurden es mehr als 25 Jahre, davon die meiste Zeit bei der Firma Meggle, die den Milchhof lange gepachtet hatte. Ursprünglich stammte die Familie aus dem Allgäu. Josef Schorer sen. arbeitete zunächst für Meggle in Wasserburg. In den 30er Jahren kam er dann zum Milchhof Miesbach. Schon immer hatte er (der Vater) wohl mit dem Laden im Heimbucherwinkl geliebäugelt, so berichtet sein Sohn. Dieser Laden bestand als Milliladen bereits seit dem 19. Jahrhundert. Einer seiner früheren Besitzer hatte den Miesbacher Käse nach dem Grundrezept eines Romadur entwickelt (siehe folgende Geschichte 77).

Die Miesbacher Genossenschafts- Molkerei, der Arbeitsplatz des Vaters, erbaut 1926
Die Miesbacher Genossenschafts- Molkerei, der Arbeitsplatz des Vaters, erbaut 1926 © Josef Schorer
Das Ehepaar Josef Schorer (sen.) vor dem Milliladen, ca. 1950
Das Ehepaar Josef Schorer (sen.) vor dem Milliladen, ca. 1950 © Josef Schorer

Sohn Josef Schorer jun. übernimmt den Laden 1971

Sein Sohn Josef Schorer jun. begann mit 15 Jahren die berufliche Laufbahn als Lehrling zum Molkereifachmann in Feldkirchen-Westerham und setzte damit die Familientradition der Milchverwertung fort. Er musste damals sogar seiner Ausbildung zum Käser ein ganzes landwirtschaftliches Jahr vorschalten. Nach seinem Abschluss mit dem Gehilfenbrief und einigen Stationen auch in München kehrte er nach Miesbach zurück und arbeitete ebenfalls in der Molkerei Miesbach. Er gründete eine Familie und übernahm übernahm 1971 von den Eltern den Milliladen.

Der Laden erwies sich durch sein besonderes Sortiment von Anfang an als eine sehr gute Unternehmung. Es waren inzwischen Gurken, Nudeln, Marmelade, Kaffee und andere Delikatessen mit ins Sortiment aufgenommen worden. Auch die Ladenfenster wurden erweitert, im Laden selbst blieb es aber weiterhin sehr eng. Erfolgsfaktor war außerdem, so die Erinnerung von Josef Schorer, die absolute Kundenorientierung: Wollte beispielsweise ein Kunde einen Joghurt mit Kokosgeschmack, so wurde dies eben bis zum nächsten Kundenbesuch besorgt. Oder war bekannt, dass abends spät ein anderer Kunde noch zwei Liter Milch brauchen würde, so wurde diese zurückgestellt. Diese persönliche Betreuung sprach sich herum und sorgte, so die Aussagen früherer Kunden und Kundinnen, zusammen mit dem doch sehr guten und breiten Sortiment dafür, dass der Laden erfolgreich geführt werden konnte.

Geschäftsaufgabe 1996

Allerdings war der Milliladen für alle Familienangehörigen immer mit harter Arbeit verbunden. In der ersten Zeit war das Geschäft übrigens nicht nur samstags, sondern als Lebensmittelhandel auch sonntags geöffnet. Manche Tage begannen für die Familie bereits um 4 Uhr morgens und endeten erst abends um 20 Uhr. In den 80er Jahren wurde es zunehmend schwieriger, Personal zu finden, das diese Arbeitsbelastung mittragen wollte. So entschied sich Josef Schorer 1996 schweren Herzens, das Geschäft zu schließen und seinen Kundenstamm an den neuen Milliladen des Molkereivertriebs im Manhardtwinkl abzugeben.

Im Fasching, um 1970: Josef Schorer jun. in der Mitte, links von ihm seine Eltern, ganz rechts die älteste Schwester
Im Fasching, um 1970: Josef Schorer jun. in der Mitte, links von ihm seine Eltern, ganz rechts die älteste Schwester © Josef Schorer

Neues Wirkungsfeld in der Molkerei

Aber Josef Schorer blieb der Milch treu: Er wechselte 1996 zum Molkereivertrieb des Milchhofes (Genaueres zum Aufbau in Geschichte 71), der damals noch in der Breitensteinstraße im Gewerbegebiet Ost ansässig war. Dort übernahm er aufgrund seiner vielfältigen Berufserfahrung zunächst als Kommissionär das gesamte Bestellwesen. Im Gegensatz zum Milliladen, der an einzelne Kunden des Ortes verkaufte, ging es jedoch hier um Großhandel und den Verkauf von Produkten, weit über die Milch hinaus, an Pizzerien, Krankenhäuser oder an andere Großverbraucher. 1999 wurde der Molkereivertrieb in das Miesbacher Gewerbegebiet Am Windfeld verlegt. Der Bau konnte zügig erstellt werden. Beteiligt daran waren mit dem Milchhof Miesbach eG die Erzeugergenossenschaft, darüber hinaus die Tochter Milchproduktenhandel Oberland eG und die Molkereivertrieb Miesbach GmbH.

Molkereivertrieb noch in der Breitensteinstraße mit Ab- und Auslieferungsbereich der LKWs, 1997
Molkereivertrieb noch in der Breitensteinstraße mit Ab- und Auslieferungsbereich der LKWs, 1997 © Josef Schorer

Durch diesen Umzug wurde das Aufgabengebiet von Josef Schorer nochmals erweitert: Er wurde, wie viele seiner Kollegen und Kolleginnen, mit den bisherigen Erfahrungen in die Ausstattung des Neubaus mit einbezogen, in seinem Fall speziell in die Konzeption der Lagergestaltung: Der Molkereivertrieb als Großhändler der eigenen Genossenschaftserzeugnisse und der Zukaufprodukte wollte die Chance nutzen.

Die neue Wirkungsstätte von Josef Schorer „von innen“ – von ihm selbst mitentworfen, nach 1999
Die neue Wirkungsstätte von Josef Schorer „von innen“ – von ihm selbst mitentworfen, nach 1999 © Josef Schorer

Der Molkereivertrieb floriert heute, und der aktuelle Umsatz wird von mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewältigt; zu seiner Zeit waren es, so seine Erinnerung, vielleicht um die 55 Kollegen und Kolleginnen und schon damals war der Umsatz beachtlich. Es herrschte ein enger Zusammenhalt aller und eine gegenseitige Unterstützung, auch durch Betriebsfeste gestärkt.

Baustelle des neuen Molkereivertriebs im Windfeld, 1999
Baustelle des neuen Molkereivertriebs im Windfeld, 1999 © Josef Schorer

Als Josef Schorer 2003 seine berufliche Tätigkeit altershalber beenden wollte, mochte man es kaum glauben. Erst als er nach seiner mündlichen Ankündigung eine schriftliche Kündigung folgen ließ, wurde tatsächlich ein Nachfolger gesucht, und Josef Schorer konnte sich endlich einmal auf geregelte Wochentage mit seiner Familie freuen.

Auch heute denkt er mit zufriedenen, eher sogar wehmütigen Gedanken an seine Tätigkeit in der Branche Milch zurück, in der er seinen Beitrag in und für die Stadt Miesbach geleistet hat.

Interview: Maria Krüger-Basener