„Concetta“ – das Ristorante gegenüber

Fast alle Schülerinnen und Schüler der Miesbacher Realschule und des Gymnasiums kommen täglich zweimal am Ristorante „Da Leonardo“ vorbei. Ob ihnen dann bewusst ist, dass hier einmal Milchgeschichte geschrieben wurde? Die italienischen LKW-Fahrer, die die Miesbacher Milch aus der Molkerei zur Weiterverarbeitung in ganz Italien abholten, fanden dort ein Stück Heimat mitten im Oberland. Nach einer langen Fahrt teils von Süditalien kommend kehrten sie so schnell wie möglich bei „Concetta“ ein, wie das Restaurant von vielen Gästen auch heute noch bezeichnet wird.

Concetta war und ist die gute Seele des Hauses. Sie kam 1989 aus Kalabrien nach München, um ihre Cousine zu besuchen. Und Bayern wurde ihre neue Heimat, sie fand eine Stelle am italienischen Konsulat und lernte ihren späteren Mann kennen. Dieser arbeitete als Geschäftsführer bei einem Nobelitaliener und hatte harte Dienstzeiten. Da kam ihnen 1990 eine Zeitungsanzeige gerade recht, in der das damalige Miesbacher „Rialto“ neue Wirte suchte. Die Gianninis übernahmen das bestehende italienische Restaurant und benannten es nach dem Ehemann in „Ristorante Pizzeria Da Leonardo“ um. Aber der „Rufname“ war und ist auch heute noch „Concetta“.

Neben den Miesbacher Bürgern wurden die italienischen Milchfahrer wichtige Gäste. Wenn Concetta sagt „Meine Gäste sind meine Familie“, dann passt das dazu, dass sich die LKW-Fahrer so fühlen konnten, als würden sie bei „Mamma“ im Wohnzimmer essen. Und das lag im Wesentlichen an ihrer Gastgeberin, die alle ihre Gäste persönlich kannte. So freute sich ein LKW-Fahrer nach einer zweitägigen Fahrt auf seinen italienischen Willkommensgruß mitten in Bayern, sowohl sprachlich als auch kulinarisch. Hier fanden sie die hausgemachte Pasta, wie sie sie nur von zu Hause kannten. Im Übrigen waren auch die deutschen Arbeiter und Angestellten der gegenüberliegenden Molkerei regelmäßig zu Gast. Concetta war also ein wichtiger „Bestandteil“ des Milchhofes geworden.

Blick auf das Ristorante da Leonardo („Concetta“). Ganz links angeschnitten die jetzige Wohnbebauung auf dem ehemaligen Molkereigelände
Blick auf das Ristorante da Leonardo („Concetta“). Ganz links angeschnitten die jetzige Wohnbebauung auf dem ehemaligen Molkereigelände © Maria Krüger-Basener

Die italienischen Gäste ihrerseits versorgten Concetta mit vielen Informationen und Nachrichten aus ihrer alten Heimat, gab es doch damals noch kein italienisches Fernsehen hier in Miesbach, von Internet ganz zu schweigen. Ein LKW-Fahrer schaffte es sogar regelmäßig, Briefe und kalabresische Spezialitäten von ihrer Mutter mitzubringen: Er kam bei seinen Fahrten aus dem Süden Italiens ganz nah an der Autobahnabfahrt vorbei, die zum Ort ihrer Mutter führte. In zwei Tagen waren dann die Kostbarkeiten in Miesbach. Ein Päckchen hingegen hätte damals mindestens vier Wochen gebraucht, wenn es denn überhaupt angekommen wäre.

Werbung für das Vorgängerrestaurant „Rialto“ in der Schülerzeitung „Litfass“, 1974
Werbung für das Vorgängerrestaurant „Rialto“ in der Schülerzeitung „Litfass“, 1974

Als der Milchhof 1998 geschlossen wurde, war das auch für Concetta eine traurige Zeit. Zwar spielten ihre Buben mit den anderen Kindern nun in dem verlassenen Gebäude für viele Jahre spannende und manchmal auch gruslige Verfolgungsjagden, aber die persönlichen Kontakte zu den LKW-Fahrern fehlten. Sie waren ja nicht nur ein Kommunikationskanal in die und aus der Heimat gewesen, sondern sie bedeuteten selbst auch Heimat. Den LKW-Fahrern ging es wohl ähnlich, denn viele von ihnen sind nach der Schließung als Privatpersonen, teilweise mit ihren Familien, nochmals bei ihrer Concetta vorbeigekommen.

Heute stammen die Gäste aus Miesbach und Umgebung. Aber auch sie erleben Concettas „Meine Gäste sind meine Familie“ bei jedem ihrer Restaurantbesuche.

Text: Maria Krüger-Basener (nach einem Interview mit Concetta Giannini)