Der Chapeau Claque

Eleganz mit Aufklappmechanismus

Die wohl raffinierteste Erfindung der Hutmode ist der Chapeau Claque. Schon seit dem Mittelalter galten lange Hüte als extravagant und waren nur den oberen Gesellschaftsschichten vorenthalten. Die ersten zylindrischen Hutformen fanden sich unter den „Kastorhüten“ (Hüte aus Biberhaar) englischer Edelmänner des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Hochwertig im Material – Velour oder schimmernder Satin, dezent in der Farbe – schwarz oder grau, und außergewöhnlich in der Form: So behütet wollten sich Adelige und reiche Bürger zu festlichen Anlässen gerne zeigen. Der Zylinderhut wurde zum stolz getragenen Statussymbol.

Um 1820 erdachten sich findige Hutmacher einen besonderen Mechanismus, wodurch der Hut mit leichtem Druck auf den Deckel flach zusammengedrückt werden konnte – der Chapeau Claque war geboren! Die Konstruktion war innen unter dem Futter versteckt und bestand aus zwei Reifen, aus stählernen Stäbchen mit Scharnieren und einem umlaufenden Eisendraht. So konnte der Hut auf ein Zwölftel seiner Höhe reduziert werden. Das edle Teil wurde dadurch alltagstauglich und konnte platzsparend und gut geschützt in einem Hutkarton überallhin mitgenommen werden.

Die ersten Zylinderhüte wurden aus Biberhaar gefertigt. Der Chapeau Claque hingegen war mit stärkerem Satin bespannt – der Stoff musste gleichermaßen geschmeidig wie robust sein, damit er beim Zusammenklappen eingedreht werden konnte. Ab 1900 dann kamen wieder Zylinderhüte aus Haarfilz auf. Die hochwertige Variante bestand aus Melusine, einem besonders feinen und glanzvollen Hasenhaar-Filz.

Mit Zylinderhut festlich gekleidete Repräsentanten der Stadt Miesbach, bei der Stadtpfarrkirche um 1950
Mit Zylinderhut festlich gekleidete Repräsentanten der Stadt Miesbach, bei der Stadtpfarrkirche um 1950
Erster Bürgermeister Carl Feichtner und Stellvertreter Thomas Baumgartner grüßen aus der Festkutsche. Aufzug zum Volksfest am 24. Juni 1950
Erster Bürgermeister Carl Feichtner und Stellvertreter Thomas Baumgartner grüßen aus der Festkutsche. Aufzug zum Volksfest am 24. Juni 1950

Nicht nur zu festlichen Anlässen wird dieser Hut heute noch getragen – er gehört auch zur traditionellen Arbeitskleidung der Kaminkehrer oder hat sich als klassischer Reithut in Pferdesportarten wie Dressurreiten erhalten.

In unserer Ausstellung zeigen wir einen Chapeau Claque aus Miesbacher Fertigung. Laut Emblem im Hutdeckel stammt er aus der Hutmacherwerkstatt Josef Gratzer und wird mit „Garantie Klapphut“ ausgezeichnet.

Er ist ein Erbstück von Markus Baumgartner, der ihn von seinem Großvater Thomas Baumgartner (1888 – 1966) erhalten hat. Thomas Baumgartner war in der Nachkriegszeit langjähriges Stadtratsmitglied und von 1946 bis 1952 zweiter Bürgermeister Miesbachs. Auf dem Foto oben ist er ganz vorne zu sehen, links von Carl Feichtner, dem ersten Bürgermeister der Stadt. Es muss ein würdevoller Anlass gewesen sein, als dieses Foto entstand – Carl Feichtner hat die Amtskette angelegt und die Herren tragen schwarzen Gehrock oder Frack, dazu weiße Handschuhe und weiße Fliegen! Thomas Baumgartner erlebte die krisenreiche Zeit der ersten Hälfte des 20. Jh.: Er war 1914 bis 1918 Kriegsteilnehmer, überstand als selbstständiger Sattlermeister die Weltwirtschaftskrise und verlor einen Sohn im Zweiten Weltkrieg. In den 50er Jahren musste er sich beruflich neu orientieren und wechselte mit seinem Sohn Emil in die Möbelbranche. Aus dem Betrieb gingen später zwei Geschäfte hervor, benannt nach den ersten Buchstaben seines Namens: „THOBA“. So ist er stellvertretend für eine Generation, die harte Jahre erlebte und sich beruflich der Zeit anpassen musste: vom kleinen Handwerksbetrieb zum mittelständischen Unternehmen.

Was dieser Chapeau Claque schon alles gesehen hat – Hochzeiten und Bälle, Festzüge und Bankette, Empfänge und Abschiede!

Text: Eva Egginger