Die Velourhutfabrik Koch

Pioniergeist in der Bergwerkstraße

Unter den Miesbacher Hutfabriken stellt die Velourhutfabrik Koch einen Sonderfall dar. Ihre Gebäude sind als einzige noch erhalten.

Velourhutfabrik Otto Koch in der Bergwerkstraße, um 1942
Velourhutfabrik Otto Koch in der Bergwerkstraße, um 1942

Gründer und einzige Betreiber der Hutfabrik war der Hutmacher Otto Koch (1907 – 1969). Schon mit noch nicht ganz 22 Jahren machte er sich am 16. März 1929 mit einer Hutmacherei samt Ladengeschäft selbständig. Damals kann er gerade erst seinen Meister gemacht haben. Er war also ein ambitionierter Jungunternehmer! Seine Eltern waren Heinrich und Babette Koch, die 1907 aus dem heutigen Thüringen nach Miesbach zugezogen waren. Vater Heinrich arbeitete hier als Tapezierermeister, der damaligen Bezeichnung für Raumausstatter. Das Geschäft übernahm später der Mann der jüngsten Tochter, Karl Felseis. Das Ehepaar Koch hatte 16 Kinder, Otto war eines der jüngsten von ihnen. Als Otto Koch seinen Betrieb gründete, war er zunächst Mieter im Haus Bergwerkstraße 3. Doch schon im Folgejahr baute er daneben einen Neubau, der bereits als Fabrik ausgelegt war (Haus Bergwerkstraße 1). Dass dies ein mutiger Schritt war, zeigen die Zeitumstände, denn im Herbst 1929 – kaum ein halbes Jahr nach Gründung der Firma – kam es zum großen Börsencrash an der New Yorker Wall Street, der eine bis heute legendäre weltweite Wirtschaftskrise auslöste. Die Folge waren Arbeitslosigkeit, Verarmung und letztlich auch politische Radikalisierung.

Otto Koch hatte aber offenbar eine Marktlücke entdeckt und genutzt. Denn sein Betrieb war von Anbeginn eine reine Velourhutfabrik. Velourhutfabrik kannte man früher nur in Österreich. Koch gehörte zur ersten Generation, die dies auch in Deutschland umsetzte. Die ersten Jahre waren denn auch von Kämpfen um die Positionierung auf diesem Markt bestimmt. Dazu schrieb 1949 die Lokalzeitung: „Die Unterlagen dafür, die Koch in einem gehüteten Aktendeckel beisammen hat, lesen sich wie ein spannendes Tagebuch.“

Den ersten größeren Rückschlag brachte für Otto Koch der Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939: Da kaum noch jemand zur Jagd gehen konnte, wurde der Rohstoff Hasenhaar knapp. Dies änderte sich mit Kriegsende zunächst nicht, da die Waffen-Bestimmungen der Alliierten die Jagd erschwerten. Das Haar der Stallhasen war hier übrigens kein gleichwertiger Ersatz, da das Haar der Feldhasen qualitativ besser ist.

Andererseits wuchs nach 1945 die Nachfrage: Die wichtigsten deutschen Betriebe für die Produktion von Velourhüten hatten im Osten gelegen und waren nun entweder unter polnischer Kontrolle oder lagen in der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR.

So wuchs die Hutfabrik Koch rasch, und die Gebäude mussten ständig mit dem Bedarf mitwachsen. Die Erfolgsgeschichte schien sich also fortzusetzen. Bis Mitte 20. Jahrhundert hatte die deutsche Velourhutindustrie aber stark aufgeholt und stand nun gleichwertig neben der österreichischen. Velourhut wurde zu einem wichtigen Exportartikel vor allem nach England, USA und in die nordischen Länder.

Ein jähes Ende kam dann mit der schweren Erkrankung Otto Kochs im Jahr 1960. Mangels Nachfolger zwangen ihn die Umstände seine Velourhutfabrik zum 31. Dezember des Jahres zu schließen. Von der Ausstattung der Fabrik ist heute einzig eine Lystriermaschine erhalten, da sie von der Hutmacherei Gratzer erworben wurde.

Text: Alexander Langheiter